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Roboter im Rechnungswesen? Dann aber intelligent! (Teil I)

Autor: Prof. Dr. Sebastian Richter

Ein Roboter nimmt Ihnen repetitive Routineaufgaben im Rechnungswesen ab? Was spannend klingt, ist bereits seit mehreren Jahren ein Trend in Unternehmen. Unter dem Namen Robotic Process Automation (RPA) werden Softwareroboter im Rechnungswesen eingesetzt und unterstützen und automatisieren auch andere Geschäftsprozesse. Das bisher starre, regelbasierte Vorgehen von RPA limitiert dabei die Flexibilität und Effektivität dieses Technologie-Einsatzes und setzt klare Grenzen. Intelligent Automation (IA) sprengt die bisherigen Grenzen des Einsatzes der Software Roboter – wie genau, wird in diesem Beitrag beschrieben.

Kleiner Roboter sitzt vor einem Laptop.

Intelligent Automation

Grafische Darstellung: Intelligent Automation (IA) verschmilzt RPA und CA.

RPA kann regelbasierte Tätigkeiten automatisieren. Dazu arbeiten Software-Roboter auf der bekannten Oberfläche von Anwendungen und imitieren menschliche Aktivitäten oder nutzen Software-Schnittstellen zur Interaktion mit verschiedenen Anwendungen. RPA nutzt dabei definierte Regeln und strukturierte Eingaben und eignet sich für Routinearbeiten. 

Tools der Cognitive Automation (CA) ermöglichen hingegen das Lösen von Aufgaben, ohne klar definierte Regeln. Durch Algorithmen werden Daten zu Ergebnissen hoher Wahrscheinlichkeit verarbeitet. Zu CA gehören Verfahren der Künstlichen Intelligenz (KI), wie bspw. Deep Learning-Algorithmen oder Maschinelles Lernen (ML). Solche kognitiven Systeme lernen auf Basis großer Datenmengen. So wird beispielsweise das Erkennen, Klassifizieren oder Vorhersagen mittels Daten ermöglicht.

Intelligent Automation (IA) verschmilzt nun RPA und CA (Abb. 1). Folglich vereint IA die Chancen von Prozessregeln und erfahrungsbasiertem Entscheidungsfinden. Durch IA können komplexere (und teils dynamischere) Aufgaben als durch RPA automatisiert und menschliche Eingriffe im Prozess reduziert werden. Während RPA nur Fallunterscheidungen im Prozess abbilden kann, sind Roboter mit kognitiven Fähigkeiten im Stande, sich an veränderliche Umwelten anzupassen sowie unstrukturierte Daten zu verarbeiten. Somit verbindet IA die Stärken von RPA und CA.

Einige Anwendungsfälle im internen und externen Rechnungswesen

Während RPA bereits vielfältig im Rechnungswesen genutzt wird, gilt dies für IA in der Praxis noch nicht. Dennoch können bereits konkrete IA-Anwendungsfälle genannt werden.

Verarbeitung von Dokumenten
Mithilfe von ML-Algorithmen können eingehende Dokumente, wie beispielsweise Rechnungen, erkannt und deren Daten anschließend mit RPA im ERP-System erfasst werden.

Berichtswesen und Planung
RPA kann Berichte regelbasiert erstellen. Diese können dann mittels Natural Language Processing kommentiert werden. Selbstlernende Berichtssysteme ermöglichen darüber hinaus automatisierte Vorhersagen und Abweichungsanalysen.

Accounting-Compliance
IA hilft bei der Anomalie-Erkennung von Buchungen. Dies ermöglicht Betrugserkennung. Ferner kann eine IA-unterstützte Kontenüberprüfung die Prozessgeschwindigkeit erhöhen.

Chancen

Das Einhalten gesetzlicher Regelungen und Standards hat im Rechnungswesen hohe Priorität. Automatisierung ermöglicht zuverlässige Regelumsetzung und verhindert manuelle Eingabefehler. Ferner unterliegt das Arbeitsvolumen saisonalen Schwankungen und steigt meist zum Monatswechsel. Durch automatisierte Durchführung kann der Zugang zu Finanzdaten in Echtzeit verbessert und damit Analysen simultan und kontinuierlich durchgeführt werden.

Die Nutzung von IA verspricht auch im Prüfungswesen Wert. IA wird in der Wirtschafts- und Steuerprüfung bei Stichproben, der Kontenabstimmung oder der Prüfung rechtlicher Dokumente erfolgreich eingesetzt. Es ist absehbar, dass die Technologie bei der Identifikation von Anomalien in Finanzdaten wichtig wird und Datenabgleiche zwischen Systemen in Zukunft automatisiert vorgenommen werden. Zusätzlich besteht die Chance auf positive Wechselwirkungen durch fortschreitende Nutzung von IA im Prüfungswesen. Das zu prüfende Unternehmen kann bereits vorab und unterstützt durch IA mögliche Anomalien eigenständig erkennen und Maßnahmen einleiten. Umgekehrt profitiert eine Prüfungsgesellschaft, wenn die durch IA entstehende Prozesstransparenz die Prüfung beschleunigt.

Der große Nutzen von Technologien zur Prozessautomation ist unumstritten. Aus dem gemeinsamen Einsatz von RPA, CA und IA ergeben sich erhöhte operative Effizienz, geringere Prozessdurchlaufzeiten und so reduzierte Kosten. Zudem sind Genauigkeit und Zuverlässigkeit automatisierter Systeme höher als bei manuell ausgeführten Prozessen. Die Nutzung von IA ermöglicht außerdem die Sammlung großer Datenmengen. Diese Daten können strukturiert gespeichert und beispielsweise zur Vorhersage künftiger Ergebnisse oder für Prozessoptimierungen und Feedbackschleifen genutzt werden. Durch die Entlastung seitens der intelligenten Roboter können sich Mitarbeiter auf wertschöpfende Tätigkeiten wie Strategieentwicklung, Analysen oder Performance-Management konzentrieren.

Die Ausführungen entstammen im Original der Arbeit:

Lena Eschle & Sebastian Richter (2022): Die Zukunft der Automatisierung im Rechnungswesen. Controlling & Management Review, 66, S. 8-15, https://link.springer.com/article/10.1007/s12176-022-0506-x

Besonderer Dank gebührt Frau Lena Eschle, die als Masterstudentin am CAS der DHBW die Basis zu dieser Arbeit gelegt hat.

Blog von Prof. Dr. Sebastian Richter